
Wie wirkt sich der Bindungsstil auf das Single-Leben aus?
Es gibt viele Gründe, warum manche Menschen Single bleiben. Für einige ist das Single-Leben eine bewusste Entscheidung, für andere nicht. Eine Forschergruppe aus Australien und Kanada um Christopher A. Pepping hat untersucht, welchen Einfluss der Bindungsstil eines Menschen auf das Single-Sein hat [1].
Ein kurzer Exkurs zur Bindungstheorie, um besser zu verstehen, was Bindung ist und welche Rolle sie in zwischenmenschlichen Beziehungen spielt. Die Bindungstheorie geht auf John Bowlby (britischer Psychoanalytiker und Kinderpsychiater) zurück. Sein Anliegen war es, zu untersuchen, wie sich die Familiendynamik und Bindungsbeziehungen (Mutter-Kind) auf die Entwicklung des Kindes auswirken. Bindung ist ein tiefes emotionales Band, das sich zwischen Menschen entwickelt. Die ersten Bindungen im Leben eines Menschen sind die zu den Eltern oder nahen Bezugspersonen. Laut Bowlby gehört Bindung zu „einem biologisch verankerten Bedürfnis aller Säugetiere, in Gefahrensituationen Schutz bei einer oder mehreren Elternfiguren zu suchen. [...] Je verlassener sie zu den Eltern zurückkehren und sich von ihnen trösten, streicheln und unterstützen lassen können, umso zuversichtlicher können sie sich dann wieder von diesen Elternfiguren trennen, um die Welt jenseits von ihnen zu erkunden” [2].
Achtsamkeitstraining ist eine der Methoden, die bei der Stressbewältigung und Stressprävention enorme Erfolge aufzeigt. Durch Praktizieren der Achtsamkeit entwickeln die Kinder und Jugendlichen einen Zugang zu sich selbst, sie lernen sich selbst besser verstehen, Autopilot-Muster werden erkannt, die Kinder erlangen mehr Selbstbewusstsein, Selbst-Akzeptanz und Selbst-Liebe, und können sich besser konzentrieren.
Abhängig von den frühkindlichen Bindungserfahrungen entwickelt der Mensch ein sogenanntes „inneres Arbeitsmodell” – eine Art unbewusste innere Überzeugungen über die Art und Weise, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren, was man von anderen erwarten kann und wie man sich selbst in diesen Beziehungen verhält. Dieses innere Arbeitsmodell hat eine große Auswirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung und ist prägend für spätere Beziehungen. Man unterscheidet zwischen folgenden Bindungsstilen:
- Sichere Bindung: Kinder, die eine sichere Bindung erfahren, haben das Vertrauen, dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden, dass Eltern oder Bezugspersonen da sind, wenn sie diese brauchen. Sie können die Welt erkunden und sich entfalten. In der Regel entwickeln sie ein gutes Selbstwertgefühl, achten auf ihre Bedürfnisse, haben ein positives Selbstbild und sind ausgeglichen. Solche Menschen sind gut in der Lage, stabile und harmonische Beziehungen aufzubauen.
- Unsicher-vermeidende Bindung: Kinder, die eine unsicher-vermeidende Bindung haben, lernen sehr früh, ihre Bedürfnisse zu unterdrücken, da sie erfahren haben, dass niemand für sie da ist. Die Bindungsperson wird oft vermieden, sie zeigen zurückhaltendes Verhalten und neigen zur Unabhängigkeit. Im Erwachsenenalter haben diese Menschen Schwierigkeiten, emotionale Nähe zuzulassen.
- Unsicher-ambivalente Bindung: Kinder mit unsicher-ambivalenter Bindung zeigen oft widersprüchliches Verhalten gegenüber den Eltern. Sie haben große Angst, die Bindungsperson zu verlieren, und klammern sich an sie. Ihre Bedürfnisse werden mal erfüllt und mal nicht, was zu großer Verunsicherung führt. Im Erwachsenenalter leiden sie unter starken Verlustängsten und verhalten sich entsprechend, was für die Beziehung belastend sein kann.
- Unsicher-desorganisierte Bindung: Diese Bindung entsteht oft in Kindheiten mit traumatischen Erlebnissen oder inkonsistentem Verhalten der Bezugspersonen. Das Kind bleibt im Konflikt zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst vor ihr. Im Erwachsenenleben zeigt sich diese Bindungsform durch starke Bindungsängste und emotionale Unbeständigkeit – Betroffene schwanken zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Bedürfnis, sich zu schützen. Beziehungen sind dadurch oft instabil und von Misstrauen geprägt.
Pepping et al. (2024) schlagen vor, dass man Singles in vier große Kategorien einteilen kann: 1) Singles, die aus eigenem Wunsch und mit sicherem Bindungsstil Single bleiben; 2) Singles, die aufgrund eines vermeidenden Bindungsstils Single bleiben; 3) Singles, die aufgrund von Bindungsängsten Single bleiben; und 4) Singles, die ängstlich-vermeidende Bindungsmuster zeigen.
Singles mit sicherem Bindungsstil zeigten in der Studie ein hohes Niveau an psychischem Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit. Sie haben oft ein starkes soziales Netzwerk und mehr stabile und erfüllende Freundschaften als Singles aus anderen Kategorien. Sie sind im Prinzip offen für eine romantische Partnerschaft, doch es ist keine Voraussetzung für ihr Glück. Diese Singles haben in der Regel ein gesundes Selbstwertgefühl, sind empathisch und ausgeglichen.
Singles mit vermeidendem Bindungsstil sind ähnlich wie jene mit sicherem Bindungsstil aus eigenem Wunsch Single, jedoch weniger offen für eine spätere feste Beziehung. Ihr emotionaler Zustand ist oft labil und zeigt sich in niedrigem Selbstwertgefühl, sozialen Ängsten, Nervosität und weniger Lust auf soziale Interaktionen. Sie haben eine geringere Lebenszufriedenheit und weniger Freundschaften, zudem sind sie mit diesen Freundschaften weniger zufrieden.
Singles mit ängstlichem Bindungsstil haben im Gegensatz zu den ersten beiden Gruppen einen großen Wunsch nach einer festen Partnerschaft. Sie haben Angst, für immer Single zu bleiben, was sie belastet. Diese Gruppe zeigte ein niedriges Level an Wohlbefinden, sie sind stark auf sich selbst fokussiert und empfinden Schwierigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen. Oft sind sie mit ihren zwischenmenschlichen Beziehungen unzufrieden, fürchten Ablehnung und tun alles, um diese zu vermeiden. Sie neigen häufiger zu Depressionen, Ängsten und Suizidalität. Sie haben ein geringes Selbstwertgefühl und ein starkes Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung.
Singles mit ängstlich-vermeidendem Bindungsmuster haben am meisten Schwierigkeiten, einen Partner zu finden. Einerseits streben sie nach einer stabilen Partnerschaft, andererseits können sie Nähe und Intimität kaum zulassen. Auf der psychischen Wohlbefindens-Skala zeigten sie höhere Depressions- und Angstraten als die anderen Gruppen. In der Regel haben sie das niedrigste Selbstwertgefühl.
Diese Studie zeigt deutlich, wie unterschiedlich Menschen sind und wie unterschiedlich die Wahrnehmung des Beziehungsstatus sein kann. Wenn Menschen mit ihrem Single-Status zufrieden sind und ein hohes Wohlbefinden haben, ist das vollkommen in Ordnung. Sollte jedoch jemand unzufrieden sein oder darunter leiden, gibt es Wege, die dabei helfen können, wie z.B. therapeutische Unterstützung oder Coaching. Wenn jedoch der Wunsch nach einer Partnerschaft besteht, diese aber aufgrund von Mustern aus der Vergangenheit immer wieder scheitert, kann es sinnvoll sein, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Die Aufarbeitung tief verwurzelter Traumata und Blockaden sowie das Erkennen schädlicher Beziehungsmuster sind wichtige Schritte, um eine gesunde und stabile Partnerschaft führen zu können. Es kann sehr hilfreich für eine spätere Partnerschaft sein, wenn man weiß, welche Verhaltensweisen für Beziehungen schädlich sind und welche sie stärken. Hilfe zu suchen ist oft der erste, mutige Schritt in eine bessere Richtung. Dieser Schritt kostet Überwindung, aber er führt aus der Ohnmacht hin zur Handlung und verleiht das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Stärke.
Weiterführende Literatur
- Pepping, C. A., Girme, Y. U., Cronin, T. J., & MacDonald, G. (2024). Diversity in singlehood experiences: Testing an attachment theory model of sub-groups of singles. Journal of Personality, 00, 1–21. https://doi.org/10.1111/jopy.12929
- Arist von Schlippe, Jochen Schweitzer (2016). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. 3. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht.