
Toxische Beziehungen — gefangen zwischen Liebe und Schmerz
Inhaltsübersicht
- Was sind toxische Beziehungen?
- Die Dynamik toxischer Beziehungen
- Ursachen toxischer Beziehungen
- Warum bleiben Menschen in toxischen Beziehungen?
- Wege aus der toxischen Beziehung
- Literatur
„Ich kann nicht mehr... Jedes Mal, wenn ich etwas später nach Hause komme, ist ein Streit vorprogrammiert. ‚Wo warst du? Mit wem hast du dich getroffen? Warum bist du so spät gekommen?‘ Immer die gleichen Fragen, immer das gleiche Misstrauen. Ich weiß genau, wie der Abend enden wird: mit Vorwürfen, mit Tränen, mit dem Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen.
Seitdem wir zusammen sind, habe ich meine Kontakte zu Freunden reduziert, um seine Eifersucht nicht weiter anzufachen. Ich habe aufgehört, nach der Arbeit spontan etwas trinken zu gehen, weil ich weiß, dass es sonst zuhause Drama gibt. Manchmal frage ich mich, wann ich das letzte Mal einfach nur ich sein konnte – ohne ständig darüber nachzudenken, wie er reagieren wird.
Warum ich bei ihm bleibe? Weil ich ihn liebe. Weil es nicht immer so ist. Weil es diese Momente gibt, in denen er mich ansieht, als wäre ich die Einzige auf der Welt. In denen er mich um Verzeihung bittet und mir verspricht, dass er sich bessert. Und weil ich jedes Mal hoffe, dass es wieder so wird wie früher.
Doch die Wahrheit ist: Die guten Zeiten werden seltener. Und die schlechten fressen mich langsam auf.“
Über toxische Beziehungen spricht man, wenn die Beziehung einem oder beiden Partnern nicht guttut und das Wohlbefinden der Betroffenen dadurch beeinträchtigt wird. Oft sind toxische Beziehungen durch emotionalen und/oder physischen Missbrauch, Manipulation, Verletzung persönlicher Grenzen, emotionale Abhängigkeit und schädliche Machtstrukturen gekennzeichnet.
Lena erzählte mir, dass sie sich oft fragte, ob sie übertreibt. Ob es wirklich so schlimm ist oder ob sie empfindlicher ist als andere. Doch genau das ist Teil der toxischen Dynamik: Die eigene Wahrnehmung wird verzerrt, Zweifel an sich selbst werden genährt und das Vertrauen in die eigenen Gefühle schwindet.
Was sind toxische Beziehungen?
Von toxischen Beziehungen spricht man, wenn die Beziehung einem oder beiden Partnern nicht guttut und das Wohlbefinden der Betroffenen dadurch beeinträchtigt wird. Oft sind toxische Beziehungen durch emotionalen und/oder physischen Missbrauch, Manipulation, Verletzung persönlicher Grenzen, emotionale Abhängigkeit und schädliche Machtstrukturen gekennzeichnet.
Lena erzählte mir, dass sie sich oft fragte, ob sie übertreibt. Ob es wirklich so schlimm ist oder ob sie empfindlicher ist als andere. Doch genau das ist Teil der toxischen Dynamik: Die eigene Wahrnehmung wird verzerrt, Zweifel an sich selbst werden genährt und das Vertrauen in die eigenen Gefühle schwindet.
Die Dynamik toxischer Beziehungen
Laut Aquino et al. (2024) verläuft eine toxische Beziehung nach einem bestimmten Muster, das sich immer wieder wiederholt. Man kann es sich wie einen Teufelskreis vorstellen, aus dem man nur schwer ausbrechen kann:
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Liebevolle Phase – Die Beziehung verläuft intensiv und leidenschaftlich. Der Partner zeigt sich von seiner besten Seite, ist aufmerksam, liebevoll, zärtlich und fürsorglich.
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Entstehung von Spannungen – Mit der Zeit schleichen sich Unsicherheiten und Kritik ein. Das Verhalten des Partners wird unberechenbarer, Misstrauen wächst, und Kontrolle nimmt zu.
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Eskalation – Streit und Konflikte nehmen zu. Emotionale Manipulation, Abwertung und manchmal auch physische Gewalt bestimmen den Alltag. Der betroffene Partner fühlt sich hilflos.
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Versöhnung – Nach einer Eskalation entschuldigt sich der toxische Partner oft, verspricht Veränderung und zeigt wieder liebevolles Verhalten. Hoffnung keimt auf, dass sich doch noch alles ändern kann. Und dann beginnt der Kreislauf von vorn.
„Ich habe so oft geglaubt, dass es diesmal wirklich anders wird“, erzählte Lena. „Wenn er sich entschuldigt hat, war er wieder der Mann, in den ich mich verliebt habe. Doch die liebevollen Phasen wurden immer kürzer.“
Ursachen toxischer Beziehungen
Viele Menschen geraten nicht zufällig in toxische Beziehungen. Oft sind es tief verwurzelte Muster aus der Kindheit, die dazu führen, dass man ungesunde Dynamiken nicht nur akzeptiert, sondern unbewusst sogar sucht.
1. Kindheit und frühere Bindungserfahrungen Lena wuchs in einer Familie auf, in der Liebe an Bedingungen geknüpft war. Anerkennung bekam sie nur, wenn sie sich anpasste. Ihre Eltern hatten hohe Erwartungen an sie, sie musste funktionieren und gute Leistungen erbringen. Zuneigung gab es selten ohne Gegenleistung. Sie lernte früh, dass sie sich anstrengen musste, um geliebt zu werden. Dieses Muster übertrug sich unbewusst auf ihre späteren Beziehungen.
Studien zeigen, dass frühe Bindungserfahrungen und das Familienklima oft prägen, wie Menschen später Beziehungen erleben. Martinson et al. (2010) fanden etwa heraus, dass Menschen, die emotionale Unsicherheit in ihrer Kindheit erlebt haben, ein erhöhtes Risiko haben, toxische Partnerbeziehungen einzugehen. Besonders in Familien mit narzisstischen oder emotional distanzierten Eltern lernen Kinder oft, dass Liebe mit Leistung oder Leid verknüpft ist.
2. Geringes Selbstwertgefühl und emotionale Abhängigkeit Wer wenig Vertrauen in sich selbst hat, glaubt oft, nicht gut genug zu sein oder keine bessere Beziehung verdient zu haben. Menschen mit instabilem Selbstbild verfangen sich leichter in destruktiven Beziehungen, weil sie den Partner als einzigen Beweis für ihren Wert ansehen. Oft sehen sie sich selbst als unzureichend und glauben, ohne die Beziehung nicht vollständig oder vollwertig zu sein. Diese emotionale Abhängigkeit erschwert es, sich aus der toxischen Dynamik zu lösen.
3. Negative Beziehungsvorbilder Menschen, die in einem Umfeld aufgewachsen sind, in dem Konflikte destruktiv gelöst wurden, oder die Opfer von Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt waren, übernehmen diese Muster oft unbewusst. Sie entwickeln eine verzerrte Vorstellung davon, was „normal“ in einer Beziehung ist. Laut Sanz-Barbero et al. (2019) neigen Menschen, die in dysfunktionalen Familien groß wurden, dazu, toxische Dynamiken als unvermeidlichen Teil von Beziehungen zu akzeptieren.
4. Gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse Romantische Ideale aus Filmen, Büchern und gesellschaftlichen Erwartungen können ebenfalls dazu beitragen, dass Menschen toxische Beziehungen eingehen. Die Vorstellung, dass wahre Liebe „alles aushält“ oder dass „Eifersucht ein Zeichen von Liebe“ sei, verstärkt die Bereitschaft, in ungesunden Beziehungen zu bleiben. Laut Kane (2020) können insbesondere patriarchale Strukturen dazu führen, dass Frauen sich verpflichtet fühlen, problematische Beziehungen aufrechtzuerhalten, anstatt sich aus solchen Beziehungen zu befreien.
5. Unbewältigte Traumata und Angst vor dem Alleinsein Lena hatte nie gelernt, allein mit sich selbst zufrieden zu sein. Ihre Angst vor dem Alleinsein war größer als ihr Schmerz in der Beziehung. Menschen mit unbewältigten Traumata aus der Vergangenheit suchen oft unbewusst Situationen auf, die ihnen vertraut erscheinen – selbst wenn diese schädlich sind. Aquino et al. (2024) fanden heraus, dass Menschen mit unbehandelten emotionalen Wunden aus früheren Beziehungen oder Kindheitstraumata oft erneut in destruktiven Beziehungsdynamiken landen.
Diese verschiedenen Ursachen greifen oft ineinander und verstärken sich gegenseitig, sodass es besonders schwerfällt, eine toxische Beziehung zu verlassen. Doch der erste Schritt zur Veränderung ist das Erkennen dieser Muster und das bewusste Arbeiten an sich selbst.
Warum bleiben Menschen in toxischen Beziehungen?
„Ich dachte immer, es liegt an mir“, sagte Lena in einer unserer Sitzungen. „Wenn ich mich mehr bemühe, wenn ich mich besser anpasse, dann wird es irgendwann funktionieren.“ Diese Denkweise ist typisch für Betroffene toxischer Beziehungen.
Ein wichtiger Faktor ist kognitive Dissonanz: Menschen neigen dazu, sich eine Realitätswahrnehmung zurechtzulegen, die ihre Entscheidung, z.B. in einer toxischen Beziehung zu bleiben, rechtfertigt (Martinson et al., 2010). Oft werden die toxischen Verhaltensweisen romantisiert: „Wenn er eifersüchtig ist, dann liebt er mich!“
Auch soziale Erwartungen spielen eine Rolle. Gerade wenn Kinder im Spiel sind oder das Umfeld hohen Wert auf eine intakte Familie legt, fällt es schwer, eine Beziehung zu beenden. „Lieber einen schlechten Partner als gar keinen“ – dieser Glaubenssatz kann stark verankert sein.
Emotionale Abhängigkeit ist ebenfalls ein wesentlicher Punkt. Aquino et al. (2024) erklären, dass toxische Beziehungen oft von intensiven Hochs und Tiefs geprägt sind, wodurch eine starke emotionale Abhängigkeit entsteht.
Wege aus der toxischen Beziehung
Einen Ausweg aus einer toxischen Beziehung zu finden ist oft ein langer und emotional schwieriger Prozess. Viele Betroffene fühlen sich gefangen, da sie nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Doch Veränderung ist möglich — sowohl durch individuelle Schritte als auch durch professionelle Unterstützung.
1. Bewusstwerdung und Akzeptanz: Der erste Schritt zur Veränderung ist das Erkennen der toxischen Muster. Viele Betroffene rationalisieren das Verhalten ihres Partners oder suchen die Schuld bei sich selbst. Aquino et al. (2024) betonen, dass die bewusste Auseinandersetzung mit der Realität der Beziehung entscheidend ist, um Veränderung einzuleiten.
2. Stärkung des Selbstwertgefühls: Lena musste lernen, dass sie wertvoll ist – unabhängig von der Anerkennung durch ihren Partner. Ein stabiles und starkes Selbstwertgefühl hilft, gibt Kraft und Mut, die Entscheidungen zum eigenem Wohl zu treffen und sich von manipulativen Mustern zu befreien. Studien zeigen, dass Menschen mit stabiler Selbstwahrnehmung weniger anfällig für toxische Beziehungsdynamiken sind.
3. Aufbau eines unterstützenden Netzwerks: Isolation ist eine der größten Herausforderungen für Menschen in toxischen Beziehungen. Unterstützung durch Familie, Freunde oder Selbsthilfegruppen kann helfen, neue Perspektiven zu gewinnen. Martinson et al. (2010) fanden heraus, dass soziale Unterstützung einer der stärksten Vorhersagefaktoren (sog. Prädiktoren) für den erfolgreichen Ausstieg aus einer toxischen Beziehung ist.
4. Setzen und Einhalten von Grenzen: Viele Betroffene haben Schwierigkeiten, klare Grenzen zu setzen. Sie fürchten die Reaktion ihres Partners oder haben gelernt, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Doch gesunde Grenzen sind essenziell, um sich aus destruktiven Mustern befreien zu können (Lamothe, 2023). Lena begann, kleine Grenzen zu setzen – ein einfaches „Nein“ ohne Rechtfertigung war ein erster Schritt in ihre Unabhängigkeit.
5. Professionelle Unterstützung nutzen: Therapie oder Coaching kann ein wertvolles Werkzeug sein, um emotionale Abhängigkeiten zu verstehen und zu überwinden. Professionelle Begleitung hilft, Ängste zu bearbeiten und neue Strategien für eine gesunde Beziehungsgestaltung zu entwickeln. Laut Aquino et al. (2024) profitieren insbesondere Menschen mit traumatischen Vorerfahrungen von einer psychotherapeutischen Unterstützung.
6. Trennung als Möglichkeit anerkennen: Für viele ist der endgültige Abschied der schwerste Schritt. Manchmal ist die Trennung der einzige Weg, um langfristiges Wohlbefinden zu gewährleisten. Ich möchte hier betonen, dass die Trennung nur eine mögliche Option und nicht die einzige Lösung ist, die für jeden Fall zutrifft. Gleichzeitig soll man sich dessen bewusst werden, dass sich nicht jede toxische Beziehung retten lässt. Lena erkannte, dass sie nicht die Verantwortung für das Verhalten ihres Partners tragen kann – und dass sie ein Leben ohne ständige Angst und Unsicherheit verdient.
Es gibt jedoch auch Paare, die gemeinsam an ihrer Beziehung arbeiten und eine gesunde Dynamik entwickeln können. Wenn beide bereit sind, alte Muster aufzuarbeiten und sich zu verändern, kann eine Partnerschaft heilsam sein. Wichtig ist, dass die Entscheidung bewusst und aus einer Position der Selbstachtung getroffen wird.
Lena begann, sich mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Sie erkannte, dass ihre Angst vor dem Alleinsein nicht aus der aktuellen Beziehung stammte, sondern tief in ihrer Kindheit verwurzelt war. Sie arbeitete daran, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und sich bewusst zu machen, dass sie Liebe verdient, die nicht mit Schmerz verbunden ist.
Am Ende wählte Lena den Weg der Trennung — nicht aus Hass oder Wut, sondern aus Liebe zu sich selbst. Sie hatte erkannt, dass wahre Liebe nicht bedeutet, sich selbst aufzugeben. Doch nicht jeder Weg führt zur Trennung. Manche Paare erkennen gemeinsam, woher ihre Muster kommen, und schaffen es, in eine gesunde Dynamik zu wechseln. Veränderung ist möglich — sowohl für Einzelne als auch für Paare.
Wenn du das Gefühl hast in einer toxischen Beziehung festzustecken und an deiner Situation etwas verändern möchtest, mache den ersten Schritt und suche dir eine professionelle Unterstützung. Ich stehe dir als Paartherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie zur Seite – ob zur Heilung der Beziehung oder zur Trennung. Kontaktiere mich gerne per E-Mail oder vereinbare ein Beratungsgespräch!
Literatur
- Aquino, E.A., et al. (2024). Psychology and Education: A Multidisciplinary Journal, 25(3), 498-507.
- Martinson, V. K., et al. (2010). The American Journal of Family Therapy, 38(3), 207–217.
- Knee, C. R., et al. (2008). Journal of Personality and Social Psychology, 95(3), 608–627.
- Lamothe, C., and Raypole, C. (2024). Healthline.