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Paarkommunikation verbessern: die verbindende Kraft der Empathie

„Geh mir weg mit deiner Lösung, sie wär’ der Tod für mein Problem“, singt Annett Louisan in ihrem Lied Die Lösung. Das klingt erst mal hart und vielleicht erinnert sich die eine oder der andere an eine bekannte Person, die sich ständig beklagt. Doch der erste Teil dieses Satzes enthält eine sehr starke Botschaft:

„Wenn ich über mein Problem rede und darüber, wie es mir im Moment geht, brauche ich keine Ratschläge oder Lösungsvorschläge. Ich sehne mich danach, gesehen, gehört und verstanden zu werden.“

Wenn du magst, mach an dieser Stelle eine kleine Reflexion für dich selbst. Schließe für einen Moment die Augen und erinnere dich an eine Situation, die dich beschäftigt hat: vielleicht eine Begegnung, die nicht gut verlief, oder ein Lebensereignis, das dir Sorgen bereitet hat. Stell dir vor, du möchtest mit deinem Partner darüber sprechen und erzählst ganz ehrlich, was dich belastet.

Erinnere dich nun: Wie hat dein Partner reagiert?

Hat er dir aufmerksam zugehört? Hat er Fragen gestellt, um dich besser zu verstehen?

Oder hast du, noch während du gesprochen hast, gleich mehrere Lösungsvorschläge bekommen? Wurde dir gesagt, dass es doch „gar nicht so schlimm“ ist? Oder dass du „nach vorne schauen“ sollst?

Was auch immer die Reaktion war, spüre nach: Was hat sie in dir ausgelöst?

War sie hilfreich? Hast du dich gesehen gefühlt? Oder eher geärgert, vielleicht sogar missverstanden?

Wo in deinem Körper ist dieses Gefühl spürbar? Wie zeigst du diese Reaktion? Und: Was hättest du dir stattdessen gewünscht?

Wenn du magst, halte deine Gedanken schriftlich fest.

Gespräche über externen Stress

Gespräche über äußeren Stress (also Stressoren außerhalb der Partnerschaft, etwa bei der Arbeit, mit Freunden oder in der Herkunftsfamilie) können die Beziehung stärken oder auch belasten.

Ob sie verbinden oder trennen, hängt davon ab, wie man miteinander spricht – und vor allem, wie man sich nach dem Gespräch fühlt: verstanden und gesehen? Oder unverstanden, abgewertet und allein gelassen?

Schauen wir uns ein Beispiel an:

Lisa & Ben: zwei Varianten eines Gesprächs

Die Situation: Lisa und Ben sind seit fünf Jahren ein Paar, sie leben zusammen und haben eine dreijährige Tochter. Nach zwei Jahren Elternzeit ist Lisa vor einem Jahr wieder ins Berufsleben eingestiegen, allerdings nicht mehr in ihre alte Teamleiterposition. Das belastet sie sehr.

Nach einem anstrengenden Arbeitstag holt sie ihre Tochter vom Kindergarten ab, bereitet das Abendessen vor, bringt die Tochter ins Bett und freut sich auf ein Gespräch mit Ben. Sie möchte mit ihm teilen, was sie beschäftigt.

Szenario 1

Lisa: Heute war schon wieder so ein anstrengender Tag! Ich kann nicht mehr.

Ben: Ich bin auch müde. Und ehrlich: Ich kann das „Ich kann nicht mehr“ nicht mehr hören. Was heißt das überhaupt, willst du kündigen? Du weißt doch, dass wir uns das nicht leisten können.

Lisa: Ich bin einfach erschöpft, und ich habe große Schwierigkeiten mit meiner neuen Chefin.

Ben: Natürlich hast du Schwierigkeiten! Sie hat ja deine alte Stelle! Aber das bildest du dir wahrscheinlich nur ein. Vielleicht liegt es auch an dir, deinem Selbstwert oder deinem Stolz.

Lisa: Warum erzähle ich dir das überhaupt... Es ist jedes Mal das Gleiche. Du verstehst mich einfach nicht.

Ben: Ach, jetzt bin ich wieder der Böse, und alles, was ich sage, ist falsch!

Szenario 2

Lisa: Heute war schon wieder so ein anstrengender Tag! Ich kann nicht mehr.

Ben: Was war denn los heute? Magst du mir erzählen, was passiert ist?

Lisa: Ja, klar. Es war wieder ein Tag voller Meetings, Telefonate, Diskussionen mit anderen Abteilungen. Und dann sollte um 17 Uhr noch ein wichtiger Termin stattfinden, ganz spontan, laut meiner Chefin. Ich habe ihr gesagt, dass ich unsere Tochter pünktlich abholen muss und sie war sichtlich verärgert. Solche Situationen häufen sich in letzter Zeit. Ich mache mir echt Sorgen, dass sie mich loswerden wollen.

Ben: Oh je, das tut mir echt leid. Das klingt richtig frustrierend. Ich verstehe nicht, warum sie so mit dir umgeht. Es war doch von Anfang an klar, dass du nur zu 50 % zurückkommst, wegen unserer Tochter.

Lisa: Ja, das verstehe ich auch nicht. Aber es macht mich traurig und verunsichert mich.

Ben: Lisa, wir stehen das zusammen durch. Ich sehe, dass dich das belastet. Und ich will, dass du weißt: Ich bin für dich da, egal was kommt.

Lisa: Oh, das tut gerade richtig gut. Danke!

Diese beiden Gesprächsverläufe zeigen eindrücklich, wie stark die Art der Kommunikation unsere Beziehung beeinflusst und ob wir uns nach einem Gespräch näher sind oder noch weiter voneinander entfernen. Und den Effekt, den unterschiedliche Kommunikationsarten auf einen haben, kann man wunderbar durch Rollenspiele miterleben. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich in Paarseminaren Rollenspiele anleite: Schon kleine Unterschiede in der Kommunikation erzeugen große Unterschiede im Erleben, und es wird oft von Aha-Erlebnissen durch Teilnehmer berichtet.

Stressabbauende Gespräche

In seiner Forschung zum Thema Partnerschaft und Beziehungen hat Dr. John Gottman herausgefunden, dass Gespräche über äußere Stressfaktoren die Beziehung nicht nur stärken, sondern sogar stressreduzierend wirken können. Er nennt sie „stressabbauende Gespräche“.

Hier eine kleine Anleitung für dich und deinen Partner, wie ihr solche Gespräche führen könnt – damit sie eurer Beziehung guttun und euch verbinden, statt zu belasten.

Diese Gespräche können zu einem kleinen Ritual im Alltag werden: zum Beispiel abends nach der Arbeit oder wenn die Kinder im Bett sind. Nehmen wir als Beispiel wieder das Thema Arbeit:

Ein Partner erzählt, wie sein Tag war, was gut lief, was nicht, was stressig war. Der andere hört aufmerksam zu, ohne zu unterbrechen, und versucht wirklich zu verstehen, wie es dem Gegenüber geht und was den Stress ausgelöst hat.

Wichtig ist dabei, dass derjenige, der erzählt, sich wirklich ausreden darf. Danach kann der Zuhörende ein paar Verständnisfragen stellen, um zu zeigen: Ich möchte dich wirklich verstehen. Anschließend hilft es, in eigenen Worten zusammenzufassen, was man verstanden hat. Nicht rational, sondern eher auf emotionaler Ebene, damit sich der Erzählende wirklich gesehen fühlt.

Und das Allerwichtigste in solchen Gesprächen: Die Seite des Partners einnehmen. So wie Ben im zweiten Beispiel. Dann entsteht das Gefühl: Wir zwei gegen den Rest der Welt. Wir sind ein Team. Zusammen sind wir stark.

Wenn beide ein Thema haben, kann man danach einfach die Rollen tauschen.

Arbeitsstress zu Hause ansprechen?

Manchmal höre ich von Paaren, dass sie sich fragen, ob man den Arbeitsstress überhaupt mit nach Hause bringen sollte.

Und meine Antwort ist ganz klar: Ja!

Für die Beziehung ist es viel hilfreicher, offen über den Stress des Alltags zu sprechen. So kann der Partner besser einordnen, warum der andere vielleicht gerade gereizt ist und bezieht es nicht auf sich selbst.

Außerdem: Der Stress, den man in sich trägt, verschwindet ja nicht einfach. Er sorgt für innere Anspannung, macht dünnhäutig und reizbar. Und wenn man dann noch versucht, alles mit sich selbst auszumachen, entsteht oft Distanz.

Ein Gespräch über das, was einen wirklich beschäftigt, kann enorm entlasten und die Verbindung zwischen den Partnern stärken. Was dabei zentral ist: die Rolle des Zuhörens und das Zeigen von Empathie.

Empathie bedeutet mehr, als nur zu versuchen, das Problem des anderen zu lösen.

Empathie heißt: den Schmerz des anderen zu sehen. Das Gefühl zu vermitteln: Ich sehe dich. Ich sehe, wie es dir geht.

Wenn uns jemand, vor allem unser Partner, von seinen Problemen erzählt oder von etwas, das ihn gerade beschäftigt, verfallen wir oft schnell in den „Lösungsmodus“.

Wir wollen helfen. Wir meinen es gut. Und doch greifen wir schnell zu Ratschlägen, suchen nach Lösungen oder versuchen zu erklären, warum alles „gar nicht so schlimm“ ist, warum man „nach vorne schauen“ soll und so weiter.

Das passiert fast automatisch. Wir möchten den anderen entlasten, das Leid mildern.

Aber dabei verlieren wir etwas ganz Wichtiges aus dem Blick: Die andere Person hat ganz bestimmt selbst schon über mögliche Lösungen nachgedacht, wahrscheinlich sogar mehrmals.

Wenn sich jemand öffnet, wenn jemand sein Innerstes zeigt, dann möchte er oder sie in diesem Moment nicht die Lösungen für das Problem bekommen, sondern gehört, gesehen und verstanden werden. Wenn stattdessen gleich Ratschläge kommen oder rationale Erklärungen, dann entsteht oft das Gefühl: „Meine Gefühle sind hier nicht willkommen. Ich darf mich nicht so fühlen. Ich werde nicht verstanden.“

Das bedeutet: Die emotionale Seite der Situation wird übergangen. Und was bei dem anderen ankommt, ist: „Ist doch nicht so schlimm. Stell dich nicht so an. Sei doch froh, dass ...“

Was stattdessen hilft, auch wenn es banal klingt, ist:

Einfach zuhören. Wirklich zuhören. Verstehen wollen. Versuchen zu fühlen, was der andere gerade erlebt. Nicht versuchen das Problem zu lösen, sondern einfach da sein. Nicht die eigene Meinung dazu zu sagen, sondern in eigenen Worten wiederzugeben, was man verstanden hat.

Zum Beispiel:

„Ich sehe, dass dich diese Situation traurig macht, dass es dich verletzt und dass es dir Sorgen bereitet.“

Damit die Kommunikation in der Beziehung gut gelingt, hilft es, sich an ein einfaches Motto zu erinnern: „Erst verstehen – dann verstanden werden.“

Dieser Satz mag banal klingen, aber er hat eine enorme Wirkung. Wenn wir wirklich versuchen, den anderen zu verstehen, entsteht eine ganz neue Qualität in der Beziehung. Ein positiver Kreislauf. Nähe wächst. Vertrauen wächst. Und wir fühlen uns wieder als Team.

Julia Karrasch, 15. Juni 2025

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