Kann ein Hauskauf eine Beziehung retten?
Wenn man in einer Beziehung unglücklich ist, dann hilft ein Hauskauf, ein weiteres Kind oder der Kauf eines Haustiers nicht, die Beziehung zu retten.
Immer wieder höre ich, dass sich ein Paar für den Kauf eines Hauses entschieden hat, zu einem Zeitpunkt, als beide in der Beziehung unglücklich waren. Auf dieses Projekt wurden so viele Hoffnungen gesetzt. Einige verbinden viele Träume mit dem Erwerb eines eigenen Hauses. Wer kennt den Spruch nicht, dass man, um das Gefühl zu haben, sein Leben richtig gut gelebt zu haben, einen Baum pflanzen, ein Haus bauen und Kinder bekommen sollte? Was für ein schönes Bild entsteht dann im Kopf: ein gemütliches Zuhause, gefüllt mit Lachen, Freude, schönen Momenten und gemeinsamer Zeit mit dem Partner, den Kindern und vielleicht einem Hund. Ihr habt einen schönen Garten, wo ihr die Zeit gemeinsam verbringt, Freunde einladet und tolle Partys organisiert. Diese Vorstellung wirkt unbewusst auf viele von uns und manch einer kommt zur Überzeugung: „Nur wenn ich all das habe, bin ich glücklich, dann funktioniert auch die Beziehung und ich fühle mich endlich zufrieden.“
Träume sind gut und wichtig, und man sollte auch darauf hinarbeiten, sie zu verwirklichen. Doch alles der Reihe nach. Wenn man sich in der Beziehung unglücklich fühlt und diese Beziehung um jeden Preis retten möchte, wie geht man da am besten vor? Einige Paare versuchen, einen „Rettungsanker“ zu finden, in der Hoffnung, damit einen „Quick-Fix“ zu erreichen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Man ist schon so lange zusammen und möchte nicht noch einmal eine Beziehung von vorne aufbauen, man hat gemeinsame Kinder und fühlt sich verpflichtet, um ihretwillen zusammenzubleiben, oder die Zeit drängt, weil man noch gemeinsame Kinder haben möchte. In einigen Fällen erscheint der Erwerb oder Bau eines Hauses dann als Lösung des Problems.
Die schönen Vorstellungen, die ich oben beschrieben habe, suggerieren auf unbewusster Ebene, dass, wenn dieses Traumbild erreicht wird, alles gut sein wird. Doch im Nachhinein ist die Enttäuschung umso größer, wenn die Traumvorstellung nicht in Erfüllung geht und die Zufriedenheit mit der Beziehung weiter sinkt. Entscheidet man sich für diese „Lösung“, bleibt man an der Oberfläche und arbeitet nicht am Kern des Problems. Wenn man sich schon ohne den Stress eines Hausbaus nicht gut versteht und ständig in Konfliktgesprächen verliert, ist zu erwarten, dass in stressigen Situationen die Probleme in der Beziehung erst recht eskalieren werden. Ein Kauf oder Bau eines Hauses bringt viele zusätzliche Aufgaben mit sich und ist oft mit viel Stress verbunden. Es kostet Zeit, Energie und Geld. Man muss Geduld mitbringen, da vieles nicht so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat. Zeitpläne werden nicht eingehalten, und die Dinge, die zu klären sind, wachsen wie Pilze bei Regenwetter. Selbst in einer gut funktionierenden Beziehung können die Herausforderungen eines Hausbaus die Beziehung auf die Probe stellen, und einige müssen erst wieder zueinander finden.
Irgendwann ist das Haus fertig, und man zieht mit der Hoffnung ein, dass jetzt alles besser wird. Doch warum sollte die Beziehung im neuen Haus plötzlich besser werden? Was hat sich an der Wurzel der Beziehung geändert? Hat sich die Art und Weise, wie man miteinander umgeht und spricht, verändert? Hat sich die gemeinsame Zeit geändert? Liebt oder respektiert man den Menschen an seiner Seite plötzlich mehr? Ist man netter, freundlicher oder verständnisvoller zueinander geworden, nur weil man jetzt in einem gemeinsamen Haus statt in einer Wohnung wohnt?
Die traurige Wahrheit ist: Die Probleme ziehen mit ins Haus. Und wenn man in Sachen Beziehung nichts unternommen und geändert hat, wird sich die Beziehung nicht zum Besseren entwickeln. Der Umzug bringt viele potenzielle zusätzliche Streitpunkte mit sich. Das Leben muss neu organisiert werden (z. B. der Weg zur Arbeit, Schule oder Freizeitaktivitäten). Um dies friedlich zu bewältigen, ist es hilfreich, wenn man gut und gerne miteinander kommuniziert, ohne dass fast jedes Gespräch in einem Streit endet. Zusätzlich kommt bei einigen Paaren die Frage nach dem Geld hinzu: Um den Kredit abzubezahlen, muss man sparsamer leben und vielleicht auf gemeinsame Aktivitäten, Urlaub oder Hobbys verzichten – oft über viele, viele Jahre hinweg.
Irgendwann merkt man, dass der Traum nicht wahr geworden ist. Man hat ein Haus, aber man spricht kaum miteinander. Das Haus hat genug Platz, damit jeder sich zurückziehen kann, und man begegnet sich kaum. Nach außen spielt man die glückliche Familie, doch innerlich fragt man sich vielleicht, warum man sich darauf eingelassen hat. Die Zeit vergeht, der Graben zwischen dem Paar wird tiefer, die Kinder werden älter, und irgendwann fragt man sich, ob es die richtige Entscheidung war. Durch das Haus hat man sich äußerlich stärker aneinander gebunden und es aus finanzieller Sicht sehr schwierig gemacht, sich zu trennen. Aber der Preis ist hoch: Es ist die Zeit seines Lebens, die man unglücklich verbracht hat.
Gibt es dann einen anderen Weg zum Traumhaus mit der Traumfamilie? Ja, diesen Weg gibt es. Man sollte nur einen Umweg machen, um herauszufinden, ob es Aussicht auf eine gemeinsame glückliche Zukunft gibt. Wenn die Beziehung in der Krise steckt, lohnt es sich zuerst, an der Beziehung zu arbeiten – sei es im Rahmen einer Paartherapie oder Paar-Beratung oder durch eigene Anstrengungen, vielleicht mit Hilfe von Ratgebern oder Büchern zum Thema Beziehungen.
Manchmal verliert man sich in der Beziehung und den roten Faden. Man möchte nur das Beste, doch es kommt alles falsch rüber. Man fühlt sich unverstanden, und jede Kleinigkeit kann zum Streitthema werden. Wenn man nichts dagegen unternimmt, verstetigt sich dieser Zustand, und es wird immer schwieriger, die Liebe zueinander lebendig und sichtbar zu halten. Es ist wichtig, aus dem Hamsterrad auszubrechen und der Beziehung eine neue Chance zu geben. Wenn man sich in der Beziehung sicher, glücklich und zufrieden fühlt, kann man gemeinsam Berge versetzen und auch mit einem guten Gefühl ein Haus bauen.
Wie ich bereits am Anfang des Artikels erwähnt habe, steht das Beispiel mit dem Haus stellvertretend für andere gemeinsame Projekte wie Kinder oder ein Haustier. All diese Vorhaben bedeuten große Verantwortung und stellen eine Beziehung auf die Probe. Sie gelingen am besten, wenn die Beziehung auch ohne sie bereits gut funktioniert: wenn man sich gegenseitig vertraut, die gemeinsame Zeit genießt, gerne zusammen ist und sich beim anderen „zuhause“ fühlt. Es ist zwar keine Garantie für eine lebenslange glückliche Partnerschaft, aber es ist eine solide Grundlage für gemeinsame große Projekte.
Julia Karrasch, 13. Januar 2025